Presseerklärungen

Der Fall der Frankfurter Kollegin Seda Basay-Yildiz

Der Fall der Frankfurter Kollegin Seda Basay-Yildiz ging durch die Medien. Eine engagierte Rechtsanwältin und ihre Familie wird – hieran sind mutmaßlich hessische Polizisten beteiligt – vom selbsternannten NSU 2.0 massiv bedroht, weil sie ihre Arbeit macht. Zu dieser Arbeit gehört es, die Rechte ihrer MandantInnen bestmöglich zu wahren.

Man will sich gar nicht die Angst und Sorge um die Tochter vorstellen nach diesen widerwärtigen Drohungen. Mit einem „Abschlachten“ oder anderen Tötungsphantasien wird die Empfängerin dieser Hass-Schreiben bedroht. Dass Rechtsanwältin Basay-Yildiz sich nicht einschüchtern und an der Ausübung ihres Berufs hindern lässt, spricht für ihren Mut. Dies verkörpert eine bewundernswerte Haltung zu dem, was ihr Beruf für sie und auch uns ist: die Überzeugung, dass das Recht die Macht verpflichtet, bindet und den Bürger in seinen Grundrechten schützt.
Dass ihr hierfür von den Berufsorganisationen in ganz Deutschland Respekt bezeugt und ihr die volle Solidarität der KollegInnen versichert wird, ist das Mindeste, was wir als RechtsanwaltskollegInnen tun können. Die Bedeutung des Falls geht weit über Frankfurt und den Einzelfall hinaus.

Seda Basay-Yildiz selbst formuliert es so: „Bedroht werde ich, gemeint sind wir alle“. Damit ist zunächst die demokratische Zivilgesellschaft gemeint. Diese sieht sich zunehmend aggressiv agierenden nationalistischen und oftmals verfassungsfeindlichen politischen Bewegungen gegenüber. Damit ist aber auch der Berufsstand der RechtsanwältInnen gemeint. Dieser wird in der Boulevardpresse und in wöchentlichen Talkshows immer wieder mit Häme überschüttet, an den Pranger gestellt und verunglimpft. Auch der medial fest verankerte Chef einer Polizeigewerkschaft schießt mit dem Begriff der „Abschiebeverhinderungsindustrie“ gegen die Organe der Rechtspflege. Deren Gehilfen sollen wir seien, weil wir was tun? Weil wir Menschen, die vor Krieg, Not und Hunger geflohen sind in unserem Rechtsstaat, in unserer hoch gelobten Demokratie zu ihrem Recht verhelfen. Wir können darin nichts Falsches erkennen. Indem man Menschen hilft, ihre Rechte wahrzunehmen, höhlt man den Rechtsstaat nicht aus. Man tut das genaue Gegenteil. Man lebt den Rechtsstaat.
Der Deutsche Anwaltverein und die Bundesrechtsanwaltskammer haben zu Recht sofort den Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft aufgefordert, die rechtsstaatliche Aufgabe der Anwaltschaft anzuerkennen und ihrer Tätigkeit nicht einen Stempel der Illegalität aufzusetzen. Das ist ein einmaliger Vorgang, der aber einiges mit den inakzeptablen Bedrohungen gegen die Kollegin Basay-Yildiz zu tun hat.
Sowohl Teile der Politik, als auch Teile der Medien bereiten so und in ähnlicher Weise einem Klima der Sabotage des Rechtssystems den Weg. Rechtsverfolgung und Wahrnehmung von Rechten wird gleichgesetzt mit Rechtsmissbrauch und Zumutung. In aller Deutlichkeit muss an dieser Stelle gesagt werden, dass gerade der effektive Zugang zum Recht die Messlatte für das Maß an Rechtsstaatlichkeit eines Staates ist. Erfahrene StrafverteidigerInnen wissen zu berichten, dass diese Entwicklung auch vor der Justiz nicht halt macht und VerteidigerInnen in Verfahren sich dem Dauervorwurf des Rechtsmissbrauchs ausgesetzt sehen, wenn sie ihre Arbeit machen.

So entsteht der Nährboden, auf dem sich rechtsradikale Schmierfinken trauen, eine Rechtsanwältin für die Ausübung ihrer Arbeit zu bedrohen. Die Anwaltschaft reagiert sensibel und deutlich auf diese Entwicklung, die in jedem Fall zur Erosion des Rechtsstaats und gegebenenfalls zu seiner Beseitigung führt.
Denn es muss jedem Bürger klar sein, dass RechtsanwältInnen, die damit vollauf beschäftigt sind, sich selbst zu schützen und bereits die Grundlagen ihrer Arbeit zu verteidigen, eingeschränkt sind in der Verteidigung und Wahrung der Rechte ihrer MandantInnen. Das geht zulasten einer effektiven Verteidigung, die sich jeder Bürger nur wünschen kann. Denn nicht jeder Rechtsanwalt besitzt so viel Mut und solch eine Haltung wie die Frankfurter Kollegin.
Es ist also von der Politik, von den Medien, vom Staat zu fordern, dass Schluss sein muss mit der Lust an der Demontage des Rechtsstaats und mit der Preisgabe des Schutzes von Organen der Rechtspflege. Diese braucht ein Staat, wenn er seinen Bürgern Rechte garantieren will. Rechtsanwältin Basay-Yildiz verdient klare Worte der Unterstützung aus der Politik, vom Vorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft und aus der Justiz. Diese klaren Worte vermissen wir. Wer hier schweigt, wirkt an der Erosion des Rechtsstaats mit.

Und noch etwas zeigt uns der Fall: Wenn die Verantwortlichen für die Drohungen Polizisten sein sollten, hat unser Rechtsstaat ein gewaltiges Problem. Dann sitzen die Feinde unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung an den Hebeln des Gewaltmonopols des Staates, verfügen über umfangreiche Eingriffsbefugnisse sowie Überwachungsbefugnisse und scheren sich einen Dreck um Gesetze. Nämlich die Gesetze, die sie in ihrem Handeln binden sollen. Dann muss uns Angst und Bange werden um unsere Grundrechte und unsere Freiheit. Die Tatsache, dass die Verantwortlichen bislang nicht ermittelt werden konnten, mag daran liegen, dass gerade die Täter die Ermittlungsmethoden besonders gut kennen und sich Ermittlungserfolgen entziehen können. Nicht die Arbeit einer Rechtsanwältin, die vor Gericht durchsetzt, dass ihrem Mandanten das ihm zustehende Recht nicht verweigert wird, sondern Vorgänge wie diese bedrohen die Grundlage unserer Gesellschaft. Vielleicht haben die zuständigen Innenminister viel zu lange die Augen verschlossen vor dem Problem von Polizeibediensteten, die nicht (mehr) auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen. Die gibt es. An mehreren Orten in Deutschland. Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit die Blanko-Schecks der Solidaritätserklärungen gegenüber PolizistInnen zu reduzieren und sich zu besinnen, was den Rechtsstaat ausmacht: Gewaltenteilung, Kontrolle der Macht, Schutz des Einzelnen vor Machtübergriffen und Umsetzung und Garantie des Primat des Rechts.

Dann könnte die Kollegin Basay-Yildiz mit ihrer Familie wieder in Ruhe und Frieden leben.

2 Gedanken zu „Der Fall der Frankfurter Kollegin Seda Basay-Yildiz“

  1. „Fascism is raising i’ts ugly head again“ — Und es liegt an zuallererst uns Juristen, dem Einhalt zu gebieten.

    Deshalb unterstütze ich die obige Erklärung mit vollem Herzen und Verstand.

    Das dürfen Sie gerne jederzeit zitieren.

    Mit freundlichen, kollegialen Grüßen

    Peter Volze

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