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Hearing:V:Personen

Expert*innengespräch zur gesetzlichen Regelung des Einsatzes von V-Personen

»Die kritische Distanz zum V-Leute-Einsatz der Polizei beruht gerade darauf, daß man als Außenstehender nichts erfährt und doch alles hinnehmen soll. … Wenn man sich schon darüber hinwegsetzt, daß Generalklauseln für die Regelung hoheitlicher Eingriffsbefugnisse nicht geeignet sind, so muß man sich wenigstens dazu bequemen, ihre Anwendbarkeit so konkret wie möglich zu begründen.« (Klaus Lüderssen, 1985, 37)

Der Einsatz verdeckter Informationsgewinnung durch Hinweisgeber, Informanten und insbesondere sog. V-Personen findet weitgehend in einer rechtlichen Grauzone statt. Seit den 1980er Jahren wird aus der Strafrechtswissenschaft und Praxis eine gesetzliche Regelung und wirksame Kontrolle des Einsatzes Privater bei strafrechtlichen Ermittlungen angemahnt. Bis heute hat der Gesetzgeber keine solche Regelung geschaffen. Der Einsatz von V-Personen aus dem kriminogenen Milieu wird über Ermittlungsgeneralklauseln gerechtfertigt; weder über Details, noch über den Umfang verdeckter Ermittlungen durch Private legen die Verfolgungsbehörden Rechenschaft ab.

Der Einsatz von V-Personen, die in keinem Dienstverhältnis zu staatlichen Verfolgungsorganen stehen, dient daher regelmäßig der Umgehung der für verdeckte Ermittler geltenden Regeln. V-Personen dringen in einer Art in die geschützte Privatsphäre von Personen ein, gegen die ermittelt wird, die staatlichen Behörden verboten wäre. Im Strafverfahren werden regelmäßig nur die »Ergebnisse« verdeckter Ermittlungen eingeführt, während die Zeugen (V-Personen) gesperrt sind und nicht von dem/der Beschuldigten konfrontiert werden können. Der Strafprozess wird so »in einen offiziellen Teil, bei dem die Verfahrensbeteiligten mit Ausnahme der Staatsanwaltschaft davon ausgehen, dass er sich darin erschöpft, und einen geheimen Teil aufgespalten.«( Decker: Der V-Manneinsatz durch Polizei und Verfassungsschutz, 2018, 58) Da weder dem Gericht, noch den Beschuldigten und ihrer Verteidigung, Identität und mögliche Beteiligung von V-Personen an Straftaten bekannt sind, kann weder ihre Glaubwürdigkeit noch der Kontext der Aussageentstehung geprüft werden. In der Regel wird nicht einmal Auskunft über die Höhe der gezahlten »Erfolgshonorare« gegeben.

Von einem ganz besonderen Gewicht ist hier die (rechtsstaatswidrige) Tatprovokation durch V-Personen. Die Bundesrepublik ist vom EGMR wiederholt wegen des Verstoßes gegen das Fair-Trial-Gebot verurteilt worden (zuletzt 2020 – Urt. v. 15.10.2020, Az. 40495/15, 40913/15 und 37273/15). Auch die in der 18. Legislaturperiode einberufene Expertenkommission zur effektiven und praxistauglichen Ausgestaltung des Strafverfahrens hat die fehlende gesetzliche Regelung des Einsatzes von V-Personen bemängelt (Bericht, 2015, 83).

Im Frühjahr 2020 stellte das BMJV ein (bereits 2017) beim Deutschen Richterbund in Auftrag gegebenes Gutachten zur gesetzlichen Regelung des V-Personeneinsatzes vor. Zwei Gesetzanträge der Opposition lagen dem Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode vor (Bt-Drs. 19/25248, Bt-Drs. 19/25352). Es ist davon auszugehen, dass die Formulierung eines Entwurfs für eine gesetzliche Regelung auf der Agenda der kommenden Legislaturperiode steht. Auch die Strafverteidigervereinigungen arbeiten an einer eigenen Stellungnahme zur erforderlichen gesetzlichen Regelung.

Beim Hearing:V:Personen am 4. September treffen Expert*innen aus der strafrechtlichen Praxis und der Strafrechtswissenschaft zusammen, um Möglichkeiten einer rechtlichen Einhegung der V-Personenpraxis zu beraten. Die Veranstaltung ist als offenes Gespräch angelegt, nicht als Reihe von Vorträgen und Referaten. Ziel soll es u.a. sein, Eckpunkte für eine Stellungnahme und möglicherweise einen Entwurf zu entwickeln.

Themen werden sein:

(a) Rechtstellung und Regelungsbedürfnis: (Status der V-Person; Zurechenbarkeit des Handelns von V-Personen zum Staat; Notwendigkeit gesetzlicher Regelung)

(b) V-Person als »gezüchteter Krimineller« (brauchbare Illegalität; Tatprovokation; materiell-rechtlicher Zugang statt prozessualer Lösung: Mittäterschaft/Anstiftung; personale Verantwortung des V-Mannführers oder der kontrollierenden StA)

(c) Kontrolle und rechtliche Einhegung (Grundlage für die Erteilung staatlichen Vertrauens; Zuverlässigkeitsprüfung und Kontrolle; Kontroll- und Evaluierungspflichten, statistische Erhebung und Mitteilung über die Entlohnungsart und -höhe)

An der Diskussion nehmen u.a. teil: RA Stefan Conen (Berlin), Prof. Dr. Robert Esser (Passau), RA Prof. Dr. Björn Gercke (Köln), Dr. Oliver Harry Gerson (Passau), RA Dr. Yannik Hübner (Frankfurt), Prof. Dr. Matthias Jahn (Frankfurt/Main), RA Dr. Klaus Malek (Freiburg), RA Markus Meißner (München), Prof. Dr. Carsten Momsen (Berlin), RA Dr. Toralf Nöding (Berlin), RAin Dr. Anna Oehmichen (Mainz), RAin Gül Pinar, (Hamburg), RAin Dr. Lea Voigt (Bremen).

Angemeldete Teilnehmer*innen des Hearing:V:Personen haben die Gelegenheit, während der gesamten Diskussion live dabei zu sein, an den Debatten über Videoschalte und Chat teilzunehmen und eigene Beiträge einzubringen. Den Teilnehmer*innen wird ergänzendes Material zum Thema zur Verfügung gestellt. Für die Teilnahme an der Veranstaltung werden fünf Fortbildungsstunden bescheinigt.

Teilnahmebedingungen:

Tagungsbeitrag:

  • Die Veranstaltung ist in der Abonnementbuchung ›Strafverteidigerjahr‹ inbegriffen
    Einzelbeitrag ohne Abonnement:
  • 150 € (126,05 € zzgl. 19% USt.i.H.v. 23,95 €) für Mitglieder
  • 250 € (210,08 € zzgl. 19% USt.i.H.v. 39,92 €) für Nichtmitglieder
  • 100 € (84,03 € zzgl. 19% USt.i.H.v. 15,97 €) für junge Kolleg*innen
  • 50 € (42,02 € zzgl. 19% USt.i.H.v. 7,98 €) für Student*innen & Referendar*innen

Angemeldete Teilnehmer*innen erhalten mit ihrer Buchung Login-Daten für ihr Fortbildungs-›Konto‹. Über die Funktion ›Mein Konto‹ wird der Zugang zu der Veranstaltung dann freigeschaltet.